Kiesgroup - Das Leben als Umweg
zwischen Nichts und Nichts [BD001 und BD001a]
 Ab sofort gelten die alten Kategorien nicht
mehr! Kein "könnte auch Fans von Mod und Canterbury und Knef
gefallen." Die Namen bedeuten nichts. Denn das dritte Album der
Kiesgroup ist so außergewöhnlich, dass es seine
eigenen Referenzen schafft. Obwohl, einen anderen Namen müssen
wir schon nennen. Soll er mal für den Augenblick Zwerg Nase
lauten. Drück meinen Rücken gegen die Wand.
Gespräch zwischen dem Feldherrn Quintilius Varus und der
Seherin Alraune:
Varus: "Wo komm ich her?"
Die Alraune: "Aus
Nichts, Varus" .... "Wo
geh ich hin"? "Ins
Nichts, Varus"...."Wo
bin ich?" ... "Hart
zwischen Nichts und Nichts. Gehab dich wohl!"
(Heinrich von Kleist, "Die Hermannsschlacht.")
Andreas van der Wingen und Max Stamm haben hier etwas geschaffen,
für das wir ruhig ein neues Genre kreieren können:
wir nennen es einfach Existentialismus-Pop. Zumindest so lange, bis wir
einen anderen Begriff gefunden haben. Denken wir dabei aber vielleicht
nicht an Sartre, sondern an Baudrillard, der den Albumtitel "Das Leben
als Umweg zwischen Nichts und Nichts" sicherlich schön
gefunden hätte. Verwandt mit der Sicht, dass das Leben eine
Simulation geworden ist, ein Bildstreifen, der vor unseren Augen
abläuft, und dann als Themenabend bei Arte gesendet wird.
Genau heißt es aber:
"Vielleicht sind unsere
Augen nur ein photographischer Film, den man uns nach dem Tod entnimmt,
um ihn irgendwo zu entwickeln."
(Jean Baudrillard) Dann müssen wir aber noch mal über
Nichts reden.
Was mir an der Kiesgroup so gefällt, ist ihre Aufmerksamkeit.
Nicht nur, was Klänge betrifft, sondern auch die
Aufmerksamkeit, die sie der wahren Welt schenken. Dass dabei nicht nur
Veganer, sondern auch Kannibalen auftauchen, nun, das ist eben so.
Dafür gibt es auch immer wieder schöne Frauenstimmen.
"What is wrong with my
life, that I must get drunk every night?"
(Fine Young Cannibals)
Max ist der Mann im Hintergrund, bescheiden, enorm wichtig, ein Mick
Harvey aus dem Wild Wood. Vander trug mal einen sehr üppigen
Bart spazieren.
"Die Musiker, von denen
sich die meisten riesige Bärte hatten wachsen lassen, bliesen,
strichen, schlugen auf ihren Instrumenten, was das Zeug hergab...Wir
saßen den Radaubrüdern zu Füßen,
nippten an unseren Bieren und genossen es, etwas auszuhalten, was kein
normaler Mensch auszuhalten bereit oder auch nur in der Lage gewesen
wäre."
(Jörg W. Gronius, "Der Junior")
Die Musik der Kiesgroup ist eigentlich sehr gut auszuhalten, aber sie
halten das zum Glück selbst nicht aus und schmeißen
dann und wann Sand oder auch Schleppscheiße ins Getriebe. Die
Welt ist eben doch nicht Pop.
Sand im Getriebe: "a
spanner in the works", oder auch "A Spaniard in the Works."
(John Lennon)
Um noch mal zum Anfang zu kommen: Zwerg Nase ist ein kleiner Junge,
Jakob, der von der bösen Hexe in einen hässlichen
Gnom verwandelt wird. Als er einer Gans das Leben rettet, wird er reich
belohnt. Der Junge ist übrigens Vander, der Zwerg
heißt Mark E. Smith. Und dieses Album ist ein Klassiker aus
Düsseldorf.
"Was auf die Platte
kommt, ist nie die Gegenwart, sondern immer die Zukunft."
(William S. Burroughs, "Der graue Fotograf")
Thomas
Hag, Düsseldorf, im April 2007
Linernotes der Platte
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